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Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


Anlagevermittler: Umgang mit Haftungsproblemen

(Finanzwelt Februar 2003, Seite 56/57)

K.-R. Wagner "Versprochen - gehalten": Zufriedene Kunden schaffen keine Probleme. Zufriedene Kunden und zufriedenstellende Kapitalanlagen bedingen sich. Folglich stellt sich die Haftungsfrage in der Realität dort, wo Kapitalanlagen nicht (mehr) zufriedenstellend sind und deshalb Kapitalanleger nicht (mehr) zufrieden sind. Tausende von Anlagevermittler beschäftigt in solchen Fällen folglich die Frage, inwieweit sie für einen von ihnen einmal geschaffenen Vertrauenstatbestand haften. Geschehenes kann man nicht ungeschehen machen, Unterlassenes nicht nachholen. Brenzlig wird es dort, wo der geschaffene Vertrauenstatbestand In dem Zeitpunkt der Bindung des Kapitalanlegers an die Kapitalanlage mit der Realität nicht übereinstimmte.

Es häufen sich die Fälle, in denen mittels der Medien "geschäftstüchtige" Anwälte Kapitalanlegern nahe legen, bei notleidenden Kapitalanlagen sich per Schadensersatz oder auf anderem Wege von ihnen wieder zu trennen. Angegriffen werden Anlagevermittler und/oder Vertriebsorganisationen, für die sie tätig waren, sowie Anbieter bzw. Initiatoren, indem man ihnen das Verhalten besagter Anlagevermittler zurechnet. Vertriebsorganisationen sowie Anbieter bzw. Initiatoren können dann versucht sein, bei besagten Anlagevermittlern Rückgriff zu nehmen. Nachdem immer mehr Kapitalanlagen sich nicht so entwickeln, wie es sich Kapitalanleger erhofften, wird zunehmend der Versuch unternommen, seitens solcher Kapitalanleger das Investment "rückgängig" zu machen.

Zum wiederholten Male hat der BGH (13.06.2002 -III ZR 166/01) entschieden:
"Als Anlagevermittler haftet der Beklagte für unrichtige Angaben nach Maßgabe der Grundsätze, wie sie in den Senatsurteilen vom 13. Mai 1993 (III ZR 25/92 = WM 1993, 1238 = NJW-RR 1993, 1114 = BGH BGB § 676 Anlagevermittler 4) und 13. Januar 2000 (III ZR 62/99 = WM 2000, 426) im Einzelnen niedergelegt worden sind: Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Der zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler zustande gekommene Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu bedarf es -jedenfalls grundsätzlich - vorab der eigenen Information des Anlagevermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen. Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Anlagevermittler mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem anderen Teil zumindest offen legen."

Dies wird ergänzt durch die Haftung des Anlagevermittlers, der es unterlässt, den Anlageinteressenten auf Widersprüche und Unklarheiten des Anlagekonzepts hinzuweisen (OLG Karlsruhe 24.10.2002 - 9 U 49/02). Ferner: Wird eine persönliche Renditeberechnung vom Anlagevermittler an den Kapitalanleger übergeben, kommt zumindest stillschweigend ein Auskunftsvertrag zwischen Anlagevermittler und Kapitalanleger zustande. Eine rechnerisch unstimmige Renditeberechnung, die wirtschaftlich nicht tragfähig ist, begründet einen Anspruch des Kapitalanlegers gegen den Anlagevermittler auf Ersatz des ihm aus dieser Kapitalanlage entstandenen Schadens (OLG Stuttgart 14.02.2002 - 7 U 165/01).

Umgekehrt: Wer sich als Kapitalanleger sachkundig gibt oder erklärt, er werde sich selbst hinreichend sachkundig machen, kann sich später gegenüber dem Anlagevermittler nicht auf ein diesem verborgen gebliebenes Aufklärungsdefizit stützen (OLG Koblenz 28.02.2002 - 5 U 384/01).

Dr. iur. Klaus - R. Wagner

 

U.a. unter Hinweis auf vorgenannte Rechtsprechung wird versucht, seitens betroffener Kapitalanleger Haftungsansprüche zwecks "Rückabwicklung" der eigenen Kapitalanlagen geltend zu machen und dies auch noch teilweise 5 - 10 Jahre später. Es stellt sich dann die Frage, welche Gefahren für den einzelnen Anlagevermittler, die Vertriebsorganisation oder den Anbieter/Initiator/Prospektherausgeber bestehen können. Betroffene sollten sich beraten lassen, wobei folgende Kriterien eine Rolle spielen können:

  • Sachverhaltsdokumentation (Prospekt, Prospektprüfungsbericht, Beratungsprotokolle, Erinnerungsnotizen, Initiatorenleistungsbilanz, Vertragsunterlagen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Renditeberechnungen, Zeichnungsschein, etc.) betreffend streitrelevante Kunden bezogen auf den Zeitpunkt ihres Beitritts;
  • Vorsorglich Klärung der Verjährungsfrage;
  • Ursache der notleidenden Kapitalanlage: Marktentwicklung oder Konzeptionsfehler oder Prospektfehler oder Beratungsfehler, zum Zeitpunkt des "Beitritts" des Kapitalanlegers;
  • Hatte der Kapitalanleger eigenen Berater mit hinzugezogen?
  • Handelte es sich um einen erfahrenen Kapitalanleger? Wie belegbar?
  • Entwicklung der Kapitalanlage nach dem Beitrittszeitpunkt - Ursachen +
    Verantwortlichkeiten;
  • Vertragsbeziehungen Initiator/Anbieter - Vertriebsorganisation - Anlagevermittler - Kunde;
  • Klärung der rollenbedingten Verantwortlichkeit;
  • Rückgriffsmöglichkeiten bei Gesamtschuldnerschaft;
  • Chancen-/Risikoprofil;
  • Bei Risiko: Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung unter Einbindung aller potentiellen Gesamtschuldner?

Wird man als Anlagevermittler mit Haftungsproblemen konfrontiert, handelt es sich mitunter nicht um einen Einzelfall, sondern dies kann sich auf eine Vielzahl von vermittelten Beteiligungen ausweiten. Die Probleme des einzelnen Anlagevermittlers können über die Zurechnungsnorm des § 278 BGB (auch) zu Problemen der Vertriebsorganisation und/oder des Anbieters/Initiators der Kapitalanlagen werden. Für letztere stellt sich dann ein doppeltes Problem:

  • Rechtlich bedingte Haftungsprobleme der Vergangenheit mit wirtschaftlichen Folgen in der Gegenwart und
  • zusätzliche Imageprobleme der Gegenwart mit wirtschaftlichen Folgen für die Zukunft.

Die Haftungsproblematik eines Anlagevermittlers ist dann mithin nicht nur sein Problem. Folglich sollten potenziell Betroffene bei der Problemlösung im Rahmen eines Krisenmanagements folgendes vor Augen haben:

  • Klärung des Sachverhaltes;
  • Klärung der Rechtslage;
  • Klärung der wirtschaftlichen Größenordnung des Problems;
  • Sind wirtschaftliche Lösungsmöglichkeiten sinnvoll und denkbar?
  • Wird gerichtliche Auseinandersetzung angestrebt bzw. in Kauf genommen? Abwägung
    von wirtschaftlicher Größenordnung, rechtlicher Einschätzung und Imagethematik;
  • Pressearbeit.