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Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


Steuern/Beteiligungsprodukte

Abschreibungen abschreiben?

(Magazin Finanzen Oktober 2001, Seite 142-145)

STEUERSPARMODELLE. Die Anbieter von steuersparenden Kapitalanlagen arbeiten mit Hochdruck an den Prospekten.
Zwei neue Urteile des Bundesfinanzhofs könnten ihnen das Jahresendgeschäft verhageln. Bei welchen Produkten Anleger tatsächlich um ihre Steuervorteile zittern müssen. Von Stefan Rullkötter

"Was waren das noch für Zeiten." Dietmar Vogelsang und Klaus-R. Wagner denken mit einer Spur Wehmut an die Jahre vor 1999. Im Wiesbadener Caféhaus Havanna am Markt diskutieren der Sachverständige für Kapitalanlagen aus Bad Hornburg und der Wiesbadener Rechtsanwalt auf Einladung von FINANZEN die Perspektiven Geschlossener Fonds. "Noch vor drei Jahren hatten Anleger Abschreibungsmöglichkeiten von bis zu 200 Prozent auf ihr eingesetztes Kapital, wenn sie es in Immobilien, Schiffe oder Flugzeuge investierten", erinnert sich Vogelsang.

Besonders für Spitzenverdiener waren die Beteiligungsprodukte lukrativ: Hohe Verlustzuweisungen reduzierten ihr zu versteuerndes Einkommen erheblich und garantierten ihnen eine sofortige Steuerrückerstattung. "Unter dem Strich konnten jährliche Nachsteuerrenditen von bis zu 15 Prozent auf das tatsächlich eingesetzte Kapital erwirtschaftet werden - immer vorausgesetzt, daß der Fonds solide konzipiert und gemanagt wurde", resümiert Rechtsanwalt Wagner.

Vergangenheit. Das nostalgische Ambiente des Caféhauses ist Spiegelbild für den verblassenden Glanz der Initiatoren-Zunft. Neue Steuergesetze - die "Mindestbesteuerung" und der sogenannte Fallenstellerparagraph 2b sorgten für gravierende Einschnitte. Die Änderungen im Einkommensteuerrecht sollten verhindern, daß sich Spitzenverdiener durch Steuersparmodelle künstlich arm rechnen: Seit 1999 dürfen Verlustzuweisungen nur noch bis zu einem Betrag von 100 000 Mark (Verheiratete 200 000 Mark bei Zusammenveranlagung) mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten - zum Beispiel aus nichtselbstständiger Tätigkeit - verrechnet werden.
Auch mit den hohen Abschreibungen ist es heute vorbei: Die Initiatoren dürfen Anlegern maximal eine Verlustzuweisungsquote von 50 Prozent auf das eingesetzte Kapital bieten. Und - sie müssen bei ihren Fondsprojekten eindeutige Gewinnerzielungsabsichten nachweisen. Ist das nicht der Fall, unterstellt das Finanzamt, daß die Erzielung von Verlusten im Vordergrund steht - und versagt dem Modell die steuerliche Anerkennung.

Durch die Fonds-Nebenkosten sparen Anleger Steuern

Die Initiatoren haben sich zwischenzeitlich auf die Vorgaben aus Berlin eingestellt. Vor allem für Spitzenverdiener können sich einzelne Beteiligungsmodelle immer noch lohnen (siehe Beispielrechnung Kasten Seite 144). Statt aggressiv mit hohen Verlustzuweisungen zu werben, setzen Geschlossene Fonds nun verstärkt auf den Rentabilitäts-Aspekt. Ob sie dabei wie im Vorjahr 20 Milliarden Mark bei den Anlegern einsammeln können, ist fraglich. Denn das Jahresendgeschäft im vierten Quartal - die umsatzstärkste Zeit der Steuerspar-Branche wird von rechtlichen Unsicherheiten überschattet. Anleger, die überhastet ein Beteiligungsprodukt kaufen, gehen in diesem Jahr ein besonders hohes Risiko ein.

Auf der Kippe steht ein beliebter Trick, mit dem es die Initiatoren in den vergangenen Jahren schafften, jährliche Anfangsverluste von bis zu 50 Prozent auszuweisen: Die Anbieter senkten den Anschaffungspreis für den gezeichneten Fondsanteil und erhöhten im Gegenzug die Nebenkosten. Diese so genannten weichen Kosten - Zusatzkosten wie das Disagio bei einer Kreditfinanzierung oder Aufwendungen, die der Fonds selbst verursacht, wie Vertriebsprovisionen, Mietgarantien und Treuhandleistungen - betragen oft bis zu 25 Prozent des eingesetzten Kapitals. Anleger konnten diese Ausgaben als Werbungskosten von den Mieteinkünften absetzen - und so ihre Steuerlast senken. Je höher die Nebenkosten, desto üppiger war der anfängliche Steuerspareffekt. Ein Kniff, den die Finanzämter bisher anerkannten.
Nun hat der Bundesfinanzhof (BFH) dieses Modell untersagt. Der BFH entschied in zwei Fällen, daß Anteilseigner von Immobilien-Fonds ihre Nebenkosten nicht als Werbungskosten absetzen können (Aktenzeichen: IX R 10/96: IV R 40/97). Die Begründung der Richter: Nebengebühren stünden in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Anschaffungspreis - weil sie es dem Anleger erst ermöglichten, Miteigentümer einer Immobilie zu werden. Als Anschaffungskosten sind die Ausgaben aber nur über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren als Abschreibungen absetzbar. Selbst die Kosten der Kreditaufnahme zur Finanzierung eines Fondsanteils sind nach Auffassung des BFH Anschaffungskosten.

Was sich zunächst harmlos anhört, hätte für Anleger verheerende Folgen: "Die anfängliche steuerliche Verlustzuweisung würde dann in vielen Fällen fast auf null sinken", erklärt Steuerexperte Vogelsang. Bei vielen Beteiligungsmodellen, die in früheren Jahre konzipiert wurden und zum Teil auch heute noch zum Verkauf stehen, müsse der Steuervorteil neu berechnet werden. "Initiatoren müssen Anlegern künftig hohe Renditen, ein realistisches Inflations-Szenario und ein Konzept für den späteren Verkauf der Fondsobjekte bieten", sagt Wagner. Im Oktober werden die Steuerbehörden von Bund und Ländern entscheiden, wie die Sachbearbeiter in den Finanzämtern vor Ort mit den BFH-Urteilen umgehen sollen. Die Finanzverwaltung dürfte dann entweder einen so genannten Nichtanwendungserlaß verfügen oder den Vollzug der Urteile in der Praxis anordnen. "Wer Anteile eines Geschlossenen Fonds zeichnen will, um mit Hilfe der Verlustzuweisungen Steuern zu sparen, sollte in jedem Fall bis zu diesem Termin abwarten", rät Vogelsang. Lediglich eine Sparte der Beteiligungsprodukte bleibt von den Folgen der Urteile in jedem Fall verschont: Medienfonds dürfen auch in Zukunft sämtliche Kosten auf einen Schlag abschreiben, da das Finanzamt ihre Objekte als so genannte immaterielle Wirtschaftsgüter einstuft.

Steuervorteil steht bei vielen Produkten auf der Kippe

Interessant ist: Schon öfter wurden die Sachbearbeiter angewiesen, ein BFH-Urteil zu ignorieren. Voraussetzung: Die besonderen Umstände des Sachverhalts sind nicht auf eine Vielzahl von Steuerfällen übertragbar.

Daß zwei BFH-Senate unabhängig voneinander bestätigt haben, Fonds-Nebenkosten seien nicht auf einen Schlag absetzbar, ist ein Indiz für die Allgemeingültigkeit der Entscheidung. Die Finanzbehörden dürften auf Dauer die neue Rechtsprechung vollziehen - allerdings nicht ohne eine Übergangsregelung:
Ruhig schlafen können Anleger, die bereits in früheren Jahren Fonds-Anteile gezeichnet haben und einen bestandskräftigen Steuerbescheid in den Händen halten. ihre Steuervorteile kann ihnen kein Finanzbeamter streitig machen. Unsicherer ist die Lage für Investoren, die in den Jahren 1999 oder 2000 investiert haben, mit ihren Verlustzuweisungen aber noch nicht bestandskräftig veranlagt worden sind. "Theoretisch kann das Finanzamt die Verluste nachträglich aberkennen - falls es die neue Rechtsprechung sofort anwendet", erklärt Rechtsanwalt Wagner. Auch in diesen Fällen dürften die Grundsätze des Vertrauensschutzes garantieren, daß die Steuervorteile den betroffenen Anlegern erhalten bleiben. "Mit einer Kehrtwendung in der Rechtsprechung konnten sie schließlich nicht rechnen", sagt Vogelsang.

Auch Investoren, die bis Mitte August 2001 - dem Veröffentlichungszeitpunkt der BFH-Urteile - Beteiligungsprodukte gekauft haben, wären dann aus dem Schneider. Eine absolute Sicherheit, daß sie die gewohnt höheren Verlustzuweisungen für das laufende Jahr steuerlich geltend machen können, haben sie nicht.

Wahrscheinlich ist, daß die Initiatoren eine Galgenfrist erhalten - und für alle im Vertrieb befindlichen Fonds letztmalig Nebenkosten als Sofortverluste zuweisen dürfen. Dann wäre der Slogan "Letzte Chance zum Steuern sparen" kein Werbegag, sondern bittere Wahrheit. In der kommenden Ausgabe nennt FINANZEN konkrete Produkte, mit denen Sie diese Chance nutzen können.


So rechnet sich ein geschlossener Fonds

Steueroptimierte Kapitalanlagen funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Die steuerrelevanten Kosten der Investoren (zum Beispiel Verluste in der Anlaufphase) können mit positiven Einkünften wie dem Gehalt verrechnet werden. Je höher der jeweilige Steuersatz der Anleger, desto größer die Steuerersparnis. Je nach Investitionsphase und Beteiligungsmodell fallen unterschiedlich hohe steuerrelevante Kosten an. Das Beispiel unten zeigt anhand eines Medienfonds, wie signifikant sich Einkommensunterschiede auswirken.

Fall 1: Ein Investor mit mittlerem Einkommen (ledig; rund 100.000 DM pro Jahr; Durchschnitssteuersatz 30 Prozent), der die Investition nicht aus laufendem Einkommen, sondern aus einer Erbschaft tätigt.

Fall 2: Ein Anleger mit hohem Einkommen (verheiratet; über 300.000 DM jährlich), der selbst nach Verlustabzug noch den Spitzensteuersatz von 48,5 Prozent auf sein zu versteuerndes Einkommen entrichtet.

Das Beteiligungsmodell Die Investitionsphase (2001) Lizenzvertragslaufzeit und Liquidation (bis 2021)
Der Anleger zeichniet einen 100.000-Mark-Anteil an einem Medienfonds, der als Kommanditgesellschaft konzipiert ist. Die Haftung der Fonds-Investoren wird durch diese Gesellschaftsform auf ihre Kapitaleinlage begrenzt. Die Fondsgesellschaft beteiligt sich durch Kreditaufnahme an der Anteilsfinanzierung und erstattet jedem Anleger einen Betrag von 16.250 Mark. Der effektive Kapitaleinsatz für den Medienfonds ist niedriger als die Zeichnungssumme: Die Investition verursacht durch die Produktionskosten Verluste. Die Verlustzuweisung von 100 Prozent auf die Einlage reduziert die individuelle Steuerschuld. Über die Höhe entscheidet der individuelle Steuersatz (plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer) Die Anleger erhalten Ausschüttungen, die sie versteuern müssen. Abschreibungen während der Fonds-Betriebssphase senken ihre Steuerlast. In der Kalkulation wird angenommen, daß der Solidaritätszuschlag in der Mitte der Betriebsphase (2010) wegfällt und der Spitzensteuersatz ab 2005 auf 42 Prozent sinkt. Im letzten Jahr erhalten die Anleger eine Abschlußzahlung.

Investitionsphase (2001)
mittleres Einkommen
hohes Einkommen
Einzahlung Fonds-Anteil
100.000 DM
100.000 DM
./. Anteilsfinanzierung der Fondsgesellschaft
16.250 DM
16.250 DM
Kapitalbedarf
88.456 DM
83.750 DM
Steuer-Rückerstattung
33.106 DM
51.168 DM
(Verlustzuweisung 100 Prozent auf den eingezahlten Fonds-Anteil, darauf den pers. EkSt-Satz)    
Tatsächlich eingesetztes Kapital
50.644 DM
32.583 DM
Lizenzvertragslaufzeit (20 Jahre) und Liquidation (2021)
Summe der Ausschüttungen plus Abschlußzahlung 1
135.989 DM
135.989 DM
./. Einkommensteuer 2
31.397 DM
13.384 DM
Ergebnis nach Steuern
104.592 DM
122.605 DM
./. tatsächlich eingesetztes Kapital
50.644 DM
32.583 DM
Gewinn
53.948 DM
90.022 DM
Rendite nach Steuern
3,2 % p.a.
8,0 % p.a.

1 Volle Besteuerung der Abschlußzahlung; zur Zeit haben über 55-Jährige einen Freibetrag von 100.000 Mark für den Verkaufserlös.

2 Die Steuerauswirkung im ersten Jahr (negatives Ergebnis) ist für den Spitzenverdiener günstiger, weil er eine höhere Rückzahlung erhält.

Quelle: Berechnung der Bethmann Bank für Fonds "Motion Picture 1"

Verluste - nicht nur auf dem Papier

Mit dem Kauf eines Beteiligungsproduktes gehen Anleger auch unternehmerische Risiken ein. Zwar senken die Verlustzuweisungen des Geschlossenen Fonds ihre Steuerlast. Werden die Fonds-Objekte aber nicht nachgefragt, erleiden sie am Ende echte Verluste.

Steuervorteile als Lockmittel
Angelockt von Steuervorteilen wie der Sonder-AfA Ost, investierten in den 90er Jahren 150.000 Anleger in Wohn- und Büro-Immobilien in Ostdeutschland. Die Käufer achteten bei der Fonds-Zeichnung oft nicht auf Lage und Qualität der Objekte. Mit sogenannten Mietgarantien überzeugten Vermittler auch zögerliche Anleger. 95 Prozent von ihnen finanzierten ihre Beteiligung auf Pump, um zusätzliche Steuervorteile einzustreichen.

Fehlinvestitionen und mangelnde Nachfrage
In den nächsten 15 Jahren werden dort voraussichtlich bis zu zwei Millionen Wohnungen leer stehen. 400.000 Einheiten müßten abgerissen werden, um Angebot und Nachfrage auf dem Ost-Immobilienmarkt wieder in Einklang zu bringen.

Drohende Pleitewelle
Wegen der hohen Leerstandsraten konnten viele Fonds-Objekte nicht vermietet werden. Die Mietgarantien der Immobilienfonds erwiesen sich als wertlos. Viele Fonds gingen bereits Pleite oder stehen kurz davor. Nach Schätzungen des Bundesverbands der Finanzdienstleistungen kommen noch 30 Milliarden Mark Verluste auf die Anleger zu.

Insolvenzverfahren
Meldet ein Geschlossener Fonds Insolvenz an, sind die Folgen für Anleger fatal: Sie verlieren ihre Kapitaleinlage, müssen in der Regel einen Kredit für ihre Fondsanteile tilgen - und möglicherweise zuvor gesparte Steuern nachzahlen. Denn im Insolvenzfall kann das Finanzamt die "nachhaltige Gewinnerzielungsabsicht" des Fonds in Frage stellen. Anlegern werden so die dank der Abschreibungen gewährten Steuervorteile nachträglich aberkannt.

Schnäppchen nur für Banken
Die Objekte der maroden Immobilienfonds werden oft weit unter Verkehrswert versteigert. Häufig kommen Gläubigerbanken zum Zug, die gerade so viel bezahlen, daß die Darlehen abgedeckt sind. Später können sie von der Wertsteigerung profitieren.