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Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


Haftungsfallen

Diese Urteile sollten Anlageberater kennen

(Finanzwelt Juni/Juli 2001, Seite 46/47)

Mit nachfolgenden Hinweisen soll Orientierung über neuere Rechtsentwicklungen gegeben werden. Die Auswahl ist selektiv und spricht derzeit in der Diskussion befindliche Themen an. Besteht der Wunsch nach weiteren Schwerpunkten, so bittet die Redaktion um entsprechende Hinweise.

Der BGH (Urteil v. 19.01.2001 - V ZR 437/99) hat entschieden, der Kauf einer Immobilie sei sittenwidrig, wenn zwischen dem Wert der Leistung (Immobilie) und der Gegenleistung (Vergütung) ein "grobes Mißverhältnis" bestehe. Es kommt folglich auf das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung an. Überträgt man die Aussagen dieser Entscheidung auf Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodelle der Vergangenheit, dann wären den jeweiligen Leistungen (Grundstück, Werkleistung, Baubetreuung, Garantien, Treuhandschaft, Finanzierungsvermittlung, etc.) die jeweils dafür gezahlten Vergütungen gegenüber zu stellen. Und für jede einzelne Leistung im jeweiligen Verhältnis zur Gegenleistung wäre zu prüfen, ob ein "grobes Mißverhältnis" besteht, was mit dem BGH jedenfalls dann der Fall wäre, wenn Zahlungen pro Leistung "knapp doppelt so hoch" wie der Wert der erbrachten Leistung gewesen wären.

Die von diversen sich als Anlegerschützer gerierenden Anwälten aufgestellte These, Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodelle der Vergangenheit seien generell sittenwidrig überteuert gewesen, ist in dieser pauschalen Form unzutreffend und bedarf für jeden einzelnen Fall einer Oberprüfung, ganz abgesehen davon, daß zusätzlich der Frage nachzugehen ist, welche Vorteile (Mieteinnahmen, Steuervorteile, Wertsteigerungen etc.) man erzielt hat, die in diese Betrachtung mit einzubeziehen sind.

Der BFH hat sich in seinem Urteil vom 21.11.2000 (IX R 2/96) mit dem geschlossenen Immobilienfonds als Verlustzuweisungsgesellschaft befaßt. Zwar handelte es sich nicht um einen unter § 2b EStG fallenden Immobilienfonds, da dessen Errichtung auf das Jahr 1979 zurückreichte, aber die Aussagen des BFH sind auch für derzeitige Fonds von Interesse. U.a. wird eine Verlustzuweisungsgesellschaft dann angenommen, wenn die "KG in ihrer konkreten Ausgestaltung auf Grund der absehbaren maßgebenden Überschuldung nicht dauerhaft überlebensfähig gewesen wäre." Dies sollte Anlaß sein, bei in der Krise befindlichen Fonds zeitnah ein Krisenmanagement in die Tat umzusetzen, um eine dauerhafte Überlebensfähigkeit sicherzustellen. Kapitalanleger riskieren mithin für sich und ihre Mit-Kapitalanleger die Aberkennung von Steuervorteilen, wenn dem gemeinsamen Krisenmanagement Versuche vorgezogen werden, gerichtlich den individuellen Ausstieg aus dem Fonds durchzusetzen.

Bei geschlossenen Immobilienfonds in der Krise häufen sich die Fälle, in denen von Kapitalanlegern Nachschüsse verlangt werden. Dabei wird mitunter nicht deutlich, ob es sich um das Einfordern verlorener Zuschüsse oder um Beitragserhöhungen handelt und ob solche Nachschüsse für aufgelaufene Zinsen oder für Sondertilgungen verwandt werden, um damit die Bemessungsgrundlage für neue Zinsen zu verringern. Worum es sich handelt, ist jeweils durch den Wortlaut des Gesellschaftsvertrages und die daran zu orientierende Beschlußfassung zu beantworten. Das Einfordern von Nachschüssen wegen drohenden Vermögensverfalls der Gesellschaft nur zur Befriedigung von Gläubigern ist nicht zulässig (BGH 28.09.1978 - 11 ZR 218/77). Nach einer neueren Entscheidung des OLG Stuttgart (27.10.1999 - 20 U 35/99) soll auch die Sanierungsbedürftigkeit der Gesellschaft nicht ausreichen. Würden Kapitalanleger unter Hinweis auf diese Entscheidung Nachschüsse für Sanierungszwecke verweigern, dann ist die Liquidation der Gesellschaft unabweislich, mit der Folge, daß dann u.U. die Immobilie unter Wert verkauft oder versteigert wird, damit Kredite der Gesellschaft nur anteilig zurückgeführt werden können und die Kapitalanleger für Restverbindlichkeiten der Finanzierung sofort persönlich einstehen müssen. Weitere Folge kann dann sein, daß mit obiger Entscheidung des BFH vom 21.11.2000 Steuervorteile hinfällig werden können und entsprechende Rückzahlungspflichten gegenüber dem Finanzamt drohen. Krisenmanagement scheint auch hier ratsamer, als das Beharren auf Rechtspositionen.

Bei Bauträgerverträgen ist derzeit eine heftige Diskussion entbrannt. In § 632a Satz 3 BGB ist vorgesehen, daß Abschlagszahlungen gegenüber dem Erwerber abgesichert werden müssen, damit im Insolvenzfall des Bauträgers die Rückzahlung bereits erbrachter Abschlagszahlungen sichergestellt ist. Durch eine am 29.05.2001 in Kraft getretene Rechtsverordnung wird die Möglichkeit gegeben, bei Abschlagszahlungen in Bauträgerverträgen von dieser Sicherungspflicht abzusehen. Dagegen werden ernst zu nehmende europarechtliche und verfassungsrechtliche Einwände erhoben, so daß diejenigen Bauträger, die darauf bestehen, daß vertraglich die Sicherung von Abschlagszahlungen abbedungen werden, das Risiko eingehen, daß Gerichte später die Rechtswirksamkeit dieser Rechtsverordnung in Frage stellen und die vertragliche Abbedingung des § 632a Satz 3 BGB für unwirksam erklären könnten. Es liegt auch nicht im Trend der Zeit, seitens des Gesetzgebers in § 632a Satz 3 BGB dem Verbraucher einen besonderen Schutz zukommen zu lassen, den der Verordnungsgeber in besagter am 29.05.2001 in Kraft getretener Rechtsverordnung wieder entzieht.