Fachbeiträge

Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


Prospekthaftung und Dritthaftung

- Neuausrichtungserfordernisse für den Kapitalanlagevertrieb -

In BFuP 2000, 594 und DStR 2001, 497 habe ich verdeutlicht, daß auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zur Prospekt- und Dritthaftung die IdW-Grundsätze für Wirtschaftsprüfer als Prospektprüfer ein System beschreiben, das es ermöglichen soll, für Prospektprüfer an die Stelle von Prospekthaftung und Dritthaftung eine kontrollierbare Vertragshaftung zu setzen, die den eigenen Versicherungsschutz der Wirtschaftsprüfer nicht beeinträchtigt. Davon werden Prospektherausgeber, Initiatoren und Vertrieb ausgehen müs-sen. Dies bedeutet für diese:

1. Prospektherausgeber

Wenn polemisch gefragt wird, warum man eigentlich Prospekte noch prüfen lassen sollte und dafür Geld ausgeben sollte, wenn man mit dem Prospektprüfungsgutachten nicht mehr werben dürfe und der Wirtschaftsprüfer sich nicht mehr der Prospekthaftung aussetze, dann bleibt bei sachlicher Betrachtung doch folgendes festzustellen:

Erteilt der Prospektherausgeber dem Wirtschaftsprüfer den Auftrag, den Prospekt zu prüfen, dann wird nicht nur der emittierte Prospekt geprüft, sondern es sollte in folgenden 2 Schritten vorgegangen werden: Zunächst wird der Prospektandruck vorgeprüft, um auf noch zu reparierende Fehler hin-zuweisen. Sodann wird der fertige Prospekt geprüft. In diesem Bericht ist auf im Andruck noch vorhanden gewesene Fehler nicht mehr einzugehen, wenn sie beseitigt worden sind. Dieser Prospektprüfungsbericht dient insoweit zunächst einmal dem Prospektherausgeber dazu, für sich selbst eine seine Prospekthaftungs-Risiken minimierende Kontrolle zu erhalten. Daran sollte ein Prospektherausgeber nach wie vor ein eminentes Interesse haben.

2. Initiatoren

Der Initiator und Prospektherausgeber können identisch sein, sie müssen es nicht. Die zuvor beschriebenen Interessen des Prospektherausgebers treffen aber auch den Initiator, wenn keine Identität besteht; denn (auch) der Initiator muß daran interessiert sein, bezüglich des angebotenen Produktes eine risikominimierende Gegenkontrolle zu haben, ob das Angebot des Produktes, also nicht die Kapitalanlage selbst, jedenfalls frei von Beanstandungen ist.

Der Prospekt betrifft bekanntlich nur die Präsentation bzw. das Angebot einer Kapitalanlage. Und der Prospektprüfungsbericht bezieht sich auch nur darauf. Wie in DStR 2001, 497 dargestellt, hat aber der Kapitalanleger einen Anspruch darauf, in Eigenverantwortung

  • das eigene Engagement zuverlässig beurteilen zu können und
  • eine sachgerechte Anlageentscheidung treffen zu können.

Dies geht weit über die Präsentation der Kapitalanlage per Prospekt hinaus. Der Prospekt ist nur ein Baustein dazu. Den Kapitalanleger bei dieser Eigenverantwortung zu unterstützen, kann der Initiator mehreres tun:

  • Er hat dafür zu sorgen, daß die wirtschaftlichen Grundlage der Kapitalanlage stimmen, daß also die zu vertriebende Kapitalanlage wirtschaftlich interessant ist.
  • Er hat dafür zu sorgen, daß die rechtlichen Grundlagen gesichert sind.
  • Er hat dafür zu sorgen, daß keine wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken bestehen. Bestehen sie doch, müssen sie erkennbar sein und es muß erkennbar sein, ob und welche Absicherungen es gibt, wie werthaltig diese sind und wer sich darum kümmert.
  • Und der Initiator hat dafür zu sorgen, daß der Prospektherausgeber - wer immer dies auch ist - im Prospekt die erforderlichen Informationen erteilt und
  • daß dieser Prospekt durch einen Wirtschaftsprüfer nach den dargestellten Grundsätzen des IdW geprüft wird.
  • Schließlich hat der Initiator dafür zu sorgen, daß die Kapitalanlage durch einen sachkundigen Vertrieb vertrieben wird, der in der Lage ist, über Prospekt und Prospektprüfungsbericht hinaus dem Kapitalanleger bei seiner eigenverantwortlichen Prüfung des eigenen Engagements und seiner Anlageentscheidung behilflich zu sein.

3. Anlageberater/Anlagevermittler

In der Praxis ist es keineswegs durchgehend so, daß sich der Initiator einen Vertrieb sucht, es kann auch umgekehrt sein. Dann sollte der Vertrieb darauf achten, daß Initiator und Prospektherausgeber das zuvor zusammengefaßte beachten. Wie oben dargestellt, treffen die Anlageberater bzw. Anlagevermittler umfassende Pflichten:

"Der zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler zustande gekommene Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu bedarf es - jedenfalls grundsätzlich - vorab der eigenen Information des Anlagevermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen. Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Anlagevermittler mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muß er dies dem anderen Teil zumindest offenlegen (Senatsurteil vom 13. Mai 1993 aaO S. 1115 m.w.N.).
(BGH 13.01.2000 - III ZR 62/99, WM 2000, 426, 428)

Zur vollständigen Information der Anlageberater bzw. Anlagevermittler gehört auch, den Kapitalanleger darüber zu informieren, ob es zum Prospekt einen von einem Wirtschaftsprüfer erstellten Prüfungsbericht gibt oder nicht. Diese Information ist nicht haftungsinfizierend. Ferner gehört zu dieser Information, dem Kapitalanleger zu sagen wie dieser diesen Prüfungsbericht erhalten kann, wenn er ihn denn haben möchte, nämlich mit dem Wirtschaftsprüfer den in BFuP 2000, 594 und DStR 2001, 497 beschriebenen Vertrag abzuschließen und ihn sich dann seitens des Kapitalanlegers vom Wirtschaftsprüfer aushändigen zu lassen. Ob dann der Kapitalanleger davon Gebrauch macht oder nicht und wie er mit dem Prüfbericht umgeht, wenn er ihn sich aushändigen läßt, gehört alles zur beschriebenen und zuvor aufgrund der Entscheidung des BGH vom 13.01.2000 zitierten Eigenverantwortung des Kapitalanlegers. Dies alles entbindet des Anlageberater / Anlagevermittler nicht im geringsten von denen seitens des BGH beschriebenen eigenen Pflichten; im Haftungsfall kann insoweit gegenüber dem Kapitalanleger allenfalls der Einwand des Mitver-schuldens erhoben werden, wenn der Kapitalanleger die ihm im Rahmen der ihn treffenden Eigenverantwortung eröffneten Möglichkeiten nicht wahrgenommen hat.

Wenn folglich Anlageberater/Anlagevermittler sich den von der Rechtsprechung ihnen auferlegten eigenen Pflichten durch Prospekt und Prospektprüfungsbericht nicht entziehen kön-nen, können sie eine Haftungsminimierung letztlich nur durch folgendes herbeiführen: Diese könnten an die Stelle des konkludenten Anlageberatungs- / Auskunfts- / Anlagevermittlungsvertrages einen ausdrücklichen und schriftlichen Vertrag mit dem Kapitalanleger setzen. Und in diesem müßte exakt beschrieben werden,

  • welche Leistungen dem Kapitalanleger exakt zu erbringen sind und
  • welche nicht (Negativkatalog),
  • welche Unterlagen dem Kapitalanleger auszuhändigen sind und
  • welche sich der Kapitalanleger selbst zu besorgen hat (z.B. Prospektprüfungsbericht),
  • wer den Vermittler bzw. Berater bezahlt, in welcher Höhe und ob Doppelprovisionen ausgeschlossen sind etc.

An dem solchermaßen zu vereinbarenden wird gemessen, was der Anlageberater bzw. Anlagevermittler dem Kapitalanleger an Leistung zu erbringen hat und auch nur daran wird später gemessen, ob er diesen vereinbarten Pflichten gerecht geworden ist oder nicht.

4. Fazit

Prospektprüfungsgutachten sind keine Marketinginstrumente und können auch weder Kapitalanleger noch Anbieter von Kapitalanlagen, Anlageberater/-vermittler, Treuhänder etc. von eigenen Obliegenheiten bzw. Pflichten befreien oder entlasten. Solche Gutachten können aber

  • diesem Personenkreis helfen, Fehler zu vermeiden und
  • sollen es dem Anleger und seinem Berater ermöglichen, im Wege der Eigenvorsorge die angebotene Kapitalanlage und deren Wirkungsweise (Sensitivitätsanalyse) beurteilen zu können.

In seiner Entscheidung vom 13.01.2000 (BGH 13.01.2000 - III ZR 62/99, WM 2000, 426, 428) hat der BGH zu Ausdruck gebracht, ein Anlagevermittler sei einer eigenen Plausibilitätsprüfung "und sich gegebenenfalls anschließender Ermittlungen" nur dann enthoben, wenn er bei pflichtgemäßer Prüfung der ihm vorliegenden Informationen davon ausgehen durfte, bereits auf dieser Grundlage (Gemeint war ein "positiver Prüfbericht" eines Wirtschaftsprüfers mit Bestätigungsvermerk) zuverlässig Auskunft zur Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Kapitalanlage ... erteilen zu können."

Im Entscheidungsfall reichte der Prüfbericht des Wirtschaftsprüfers gerade nicht aus, ausreichende Aussagen zur Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Kapitalanlage zu machen. Und mit den Ausführungen in DStR 2001, 497 ist verdeutlicht worden, daß es auch auf der Grundlage der IdW-Grundsätze nicht Aufgabe eines Prospektprüfungsberichtes ist, Aussagen zur Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage zu machen oder gar den Anlagevermittler von Plausibilitätsprüfungs- und eigenen Recherchepflichten zu befreien. Aufgabe des Prüfberichtes ist es statt dessen, dem Kapitalanleger (bzw. dem vom Kapitalanleger hinzugezogenen Berater) bei dessen Eigenverantwortung / Eigenvorsorge eine Hilfestellung zu geben, die angebotene Kapitalanlage selbst prüfen zu können. Als Reflex erhält der Auftraggeber des Prospektprüfungsgutachtens zugleich die Möglichkeit, seinen Prospekt entsprechend dem IdW-Standard zu optimieren und Fehler zu vermeiden.

Es bleibt mithin dabei, daß durch Prospektprüfungsberichte (ob mit oder ohne IdW-Standard) weder Prospektherausgeber, noch initiatoren oder der Kapitalanlagevertrieb von Pflichten befreit/entlastet wird, die sie aufgrund der dargestellten Rechtsprechung zu tragen haben. Aber der IdW-Standard für Prospektprüfungsgutachten gibt eine wichtige Orientierung für einen Baustein aus diesem Pflichtenumfang, nämlich eine ordnungsgemäße Prospektgestaltung. Und dies überprüfend zielt ein Prospektprüfungsgutachten auf den Kapitalanleger einer angebotenen Kapital-anlage quasi als Nutznießer (nämlich die angebotene Kapitalanlage selbst prüfen zu können) auch wenn das Prospektprüfungsgutachten durch die Anbieterseite in Auftrag gegeben wird. Mithin ist das Prospektprüfungsgutachten kein Werbebaustein sondern ein (weiterer) Informationsbaustein. Und deshalb ist es auch systemgerecht, wenn der Prospektprüfer sich vorbehält, nur aufgrund eines gesonderten zwischen ihm und dem Kapitalanleger geschlossenen Vertrages das Prospektprüfungsgutachten diesem auszuhändigen (IdW-Grundsätze (32)).