Jubiläum

 

40 Jahre anwaltliches Berufsjubiläum, davon 30 Jahre in eigener Praxis
Lang ist´s her
wohl dem, der (k)einen Juristen braucht

Vor mehr als 40 Jahren (01.03.1976) begann ich meine anwaltliche Tätigkeit in einer für damalige Verhältnisse größeren Kanzlei (Niederauer, Winkler & Kollegen, Offenbach). Und vor rd. 30 Jahren (01.10.1986) gründete ich meine seitdem vorhandene Einzelkanzlei. Ich bin seitdem im Wirtschaftsrecht und dort vornehmlich im privaten Baurecht, Gesellschaftsrecht, Amtshaftungs- und Entschädigungsrecht, Grundstücks- und Immobilienrecht, Kapitalanlagerecht, Mitarbeiterbeteiligungsrecht, in Finanzgerichtsverfahren bis hin zum BFH sowie im Verfassungsrecht tätig. Meine langjährigen Mitarbeiter unterstützen mich professionell und wir sind ein prima Team. In dieser Zeit habe ich so manches gesammelt, was mit der eigenen anwaltlichen Tätigkeit in Verbindung gebracht werden könnte und was zum Schmunzeln anregt. Wenn im Folgenden mitunter der Konjunktiv gebraucht wird, dann aus einer einem Anwalt eigenen Vorsicht:

Folgende Geschichte könnte sich tatsächlich ereignet haben:

"In der Verhandlung geht es um Kreditbetrug und der Richter prüft sorgfältig die Bilanzunterlagen. Schließlich überlegt er voller Mißtrauen: Wo gibt es denn so was, daß bei einer Bilanzsumme von fast 2.000.000,-- Mark auf der linken und auf der rechten Seite genau die gleichen Pfennigbeträge rauskommen! Eine solche Bilanz kann ja nur manipuliert sein."

40 Jahre Anwalt sein, davon 30 Jahre in eigener Praxis, was hat mir dies bedeutet? Weder möchte ich mein Berufsleben Revue passieren lassen noch etwas zum Beruf eines Anwaltes im Allgemeinen sagen. Statt dessen habe ich mir etwas anderes ausgedacht. Und indem meine liebe Mutter mich über all die Jahre hinweg immer wieder mit Juristen-Witze versorgt hat, möchte ich diesen Fundus nutzen, den Lesern mein Anwaltsleben etwas anschaulicher zu machen. Dabei hoffe ich, daß ich bei meinem nachfolgenden Plädoyer für ein Anwaltsleben mit vergleichbarer Nachsicht rechnen kann:

Im Gerichtssaal. Der Herr Vorsitzende: "Angeklagter, Sie haben das letzte Wort!"
Angeklagter: "Hohes Gericht! Meine Damen und Herren. Ich bitte das indiskutable Plädoyer des Herrn Verteidigers strafmildernd für mich zu berücksichtigen!"

Am 01.03.1976 wurde ich Anwalt. Dies war nicht der Tag meiner Zulassung zur Anwaltschaft, sondern mein erster Arbeitstag in einer für damalige Verhältnisse größeren Anwaltskanzlei "Niederauer, Winkler & Kollegen" in Offenbach (wir waren damals 15 Anwälte und das Personal machte nochmals 30 Personen aus). Aber eigentlich wollte ich nie Anwalt werden. Denn folgendes Gedicht von Eugen Roth war mir schon damals geläufig:

Für Juristen
Ein Mensch, nach längerem Eheleiden,
faßt endlich Mut und läßt sich scheiden.
Kaum ist die Sache abgesprochen
hat er sich jäh den Hals gebrochen.
Sein Tod läßt selbst die Witwe kalt,
doch bitter weint der Rechtsanwalt.

Als ich dann aber ein Angebot von Rechtsanwalt Dr. Winkler bekam, begann ich am 01.03.1976 meine Tätigkeit als Anwalt, die bis heute vorgehalten hat und die ich gerne noch lange ausüben möchte. Warum wurde ich Anwalt, zumal man als Anwalt immer wieder mit ungerechtfertigten Vorurteilen zu kämpfen hat wie folgende Geschichte zeigt:

Der Senatspräsident sagt zu einem Rechtsanwalt, der als Zeuge vor Gericht auftritt: "Sie sind hier geboren, Herr Rechtsanwalt, 40 Jahre alt, katholisch, Rechtsanwalt und ledig?"
"Ja, Herr Präsident", ist die Antwort des Zeugen.
Der Senatspräsident fährt fort: "Da Sie, Herr Rechtsanwalt, hier als Zeuge aufgerufen worden sind, möchte ich Sie bitten, für die Zeit Ihres Einvernehmens Ihren Beruf zu vergessen und die reine Wahrheit zu sagen."

Oder war es Rechthaberei? Vielleicht. Mit Sicherheit aber auch deshalb, weil es immer etwas zum Schmunzeln gibt wie folgende Auszüge aus einem Schriftsatz zeigen:

"Der Kläger hat sich entschlossen, seinen Prozeßbevollmächtigten mit der Erwiderung auf den Schriftsatz der Beklagten zu beauftragen,
damit es nicht zu weiteren Verzögerungen kommt. Wir stellen aber klar, daß der Kläger gesundheitlich immer noch nicht in der Lage ist, Information dergestalt zu erteilen, daß ein ausführlicher Sachvortrag möglich wäre. Es ist dem Kläger aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht zuzumuten, den Schriftsatz der Beklagten noch einmal in die Hand zu nehmen, um detailliert auf jede wahrheitswidrige Behauptung einzugehen. Der Kläger hat nämlich, nachdem er den besagten Schriftsatz der Beklagten durchgelesen hatte, einen Schlaganfall erlitten."

Und manchmal muß man gar etwas nachhelfen, um der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen:

Kirchberger kommt zum Anwalt und will von ihm wissen, wie er 2.000,-- Mark zurückbekommen kann, die er einem Bekannten geliehen hat, ohne sich das schriftlich bestätigen zu lassen. Der Anwalt weiß Rat: "Schreiben Sie dem Schuldner, daß Sie endlich Ihre 4.000,-- Mark zurückhaben wollen."
"Aber es waren doch nur 2.000,-- Mark!"
"Eben! Der Schuldner wird sicher protestieren und antworten, er habe nur 2.000,-- Mark bekommen – und damit haben wir
eine schriftliche Bestätigung!"

Nach knapp 4 Jahren verließ ich Offenbach, um mich der noch größeren Kanzlei "Jauch & Sigle & Partner" in Stuttgart anzuschließen (dort waren zu jener Zeit rd. 25 Anwälte mit weiteren rd. 50 Mitarbeiter tätig). Wie schon zuvor durch Rechtsanwalt Dr. Winkler, so wurde hier mein Berufsbild als Wirtschaftsanwalt maßgeblich durch das Vorbild von Rechtsanwalt Dr. Sigle geprägt. Aber es zog mich schon nach kurzer Zeit wieder ins Rhein-Main-Gebiet zurück.

VIELDEUTUNG
Ein Mensch schaut in die Zeit zurück
und sieht: Sein Unglück war sein Glück.

Und so wurde ich ab dann für einige Jahre 2-gleisig tätig. Zum einen 6 Jahre als Rechtsanwalt beim OLG Frankfurt/Main und „daneben“ zunächst als Prokurist, dann als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft mit 130 Mitarbeitern. Welche Geschichten das Leben schreibt:

Eines Tages waren Vertragsverhandlungen angesagt, zu denen unsere Verhandlungspartner pünktlich angereist waren, wir aber als Gastgeber unhöflicherweise unpünktlich erschienen. Und so hatte eine Person aus dem Kreis unserer Verhandlungspartner (meine heutige Frau Helga) die Zeit des Wartens dazu genutzt, auf der Tafel unseres Besprechungszimmers für uns als Gastgeber ein "Herzlich Willkommen" darauf zu schreiben. Unsere pünktlichen Gäste hießen uns mithin als unpünktliche Gastgeber in unseren eigenen Räumen herzlich willkommen. Eine Situation zum Schmunzeln. Aber damit nicht genug: Wortführerin auf der anderen Seite war Helga, die wie heute bekannt, auf die ihr eigene charmante Art Ihren Willen durchsetzen wollte. Irgendwie blieben wir unterschiedlicher Meinung. Aber wie sagt die Bibel:

Und in der Bibel steht geschrieben:
Du sollst Deine Feinde lieben.

Und so haben wir uns kennengelernt. Da sage noch einmal jemand, das Anwaltsleben biete keine Abwechslungen.

Am 01.10.1986 machte ich mich dann wie man so sagt, in eigener Kanzlei selbständig und bin es als Einzelanwalt bis heute geblieben. Um mich herum ist von Globalisierung die Rede, ich bevorzuge Spezialisierung. Immer mehr Kanzleien fusionieren. Ich setze dem Individualität entgegen. Und während Mitte der 70iger Jahre bereits eine Anwaltskanzlei mit mehr als 10 Anwälten als groß galt, wird dieses Prädikat heute für Kanzleien mit mehr als 1.500 Anwälten vergeben. Für diese Veränderungen gibt es viele Gründe. Eine von Eugen Roth scherzhaft Beschriebene gefällt mir besonders gut:

Zeitgenössische Entwicklung
Ein Mensch sitzt da und schreibt vergnügt,
sein Fleiß ist groß und das genügt.
Doch bald hat er sich angeschafft
die erste Schreibmaschinenkraft;
das langt nach kurzer Zeit nicht mehr,
es müssen noch zwei andre her,
des gleichen wär für’s Telefon,
auch wird ein Diener nötig schon,
ein Laufbursch und, es währt nicht lang,
ein Fräulein eigens fürn Empfang.
Nun kommt noch ein Bürovorsteher –
jetzt, meint der Mensch, ging es schon eher.
Doch fehlt halt noch ein Hauptbuchhalter
sowie ein Magazinverwalter.
6 Kräfte noch zum Listen führen –
da kann man sich schon besser rühren.
Doch reichen nun, man sahs voraus,
die Tippmamsellen nicht mehr aus.
Bei Angestellten solcher Zahl
brauchts einen Chef fürs Personal;
der wiedrum, soll er wirksam sein,
stellt eine Sekretärin ein.
Die Arbeit ist im Grunde zwar
die gleiche die sie immer war,
doch stilgerecht sie zu bewältigen,
muß man die Kraft verhundertfältigen.
Der Mensch, der folgerichtig handelt,
wird zur Behörde umgewandelt.

Dann kam die Wiedervereinigung und ich hatte die Freude, Menschen mit anderen Biographien kennen zu lernen. Diese setzten in den neuen Bundesländern mit anderen den ersten Management Buy Out um und dies bis heute mit hervorragendem Erfolg. In der Zusammenarbeit entstand eine gemeinsame Freundschaft. Und in der Zeit unserer gemeinsamen Zusammenarbeit hatte ich den einen und anderen Prozeß zu führen. Dabei habe ich mich so manches mal gefragt, wie diesen neuen Bundesbürgern wohl die ersten Erfahrungen mit dem westdeutschen Rechtssystem vorgekommen sein mögen.

Theoretisch hätte unser Zwiegespräch so abgelaufen sein können:

Anwalt und Klient haben den Tatbestand hinlänglich besprochen. Schließlich bleiben nur noch zwei Fragen offen.
Anwalt: "Für den Fall, daß es zum Prozeß kommt, können Sie ihn dann bezahlen?"
Klient: "Für den Fall, daß ich ihn bezahlen kann, können Sie ihn dann gewinnen?"

Darauf wiederum meine Antwort:

"Nur Mut", erklärt der Anwalt seinem Klient, "Sie werden sehen, die Wahrheit wird siegen."
"Dann können wir ja immer noch in Berufung gehen", sagt der Klient zum Anwalt.

Aber es wurde auch über Alternativen nachgedacht, denn schließlich war auch eine Berufung keineswegs sicher:

Meier führt schon in der zweiten Instanz einen Prozeß gegen Kunz, einen sehr unangenehmen Zeitgenossen. Diesmal will er aber gewinnen. Er fragt seinen Anwalt, ob man nicht mit einer Kiste Champagner beim Richter etwas nachhelfen könnte.
"Um Himmelswillen, nur das nicht", meint der Anwalt, "das könnte als Bestechung ausgelegt werden."
Der Prozeß läuft und Meier gewinnt. "Gut, daß Sie dem Richter keinen Champagner geschenkt haben", meint der Anwalt.
Meier grient in sich hinein. "Ich habe ihm eine Kiste Champagner schicken lassen – allerdings im Namen von Kunz."

Und die Zukunft? Die nächsten Jahre?

Für die Beschäftigung als Anwalt ist es gut, sich stets folgenden Spruch von Albert Schweitzer aus dem Jahre 1949 zu vergegenwärtigen:

"Worüber ich mich immer wieder wundere ist dies: Es gibt auf der Welt über 30 Millionen Gesetze, um die 10 Gebote durchzuführen."